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Deutscher Schwerhörigenbund e. V.

TonZeichen ist eine Gruppe hörgeschädigter Menschen, die gleichzeitig singt und gebärdet.

Das lautsprachbegleitende Gebärden ist dabei dem Singen gleichberechtigt.

Mit diesem Konzept ist die Gruppe einzigartig und stößt bei ihren Auftritten auf großes Interesse und Begeisterung auch bei nicht hörgeschädigten Menschen. 

Bitte den Link (oben) für Termine und weitere Informationen folgen.

 

Und hörst du nicht der Vöglein Lied

- Das Vereinslied der Essener Schwerhörigen - 

(Text: Trude Knaben; Musik: Auld Lang Syne)

 

Und hörst du nicht der Vöglein Lied,

so siehst du sie doch zieh’n.

Du hörst ja auch die Blumen nicht,

doch siehst du sie erblüh’n.

Der Bäume Rauschen hörst du nicht,

doch Blatt für Blatt sich regt.

Du hörst ja auch das Wachsen nicht,

von Gottes Hand gepflegt.

Refr.:

Sei dankbar, froh und innerlich!

Leb heiter mit Bedacht!

Am Ende siehst du’s sicherlich:

Gott hat’s doch recht gemacht.

Und hörst du auch den Regen nicht,

du spürst nur, wie es klopft.

Du hörst nicht, wenn er weiterzieht,

doch siehst, wie alles tropft.

Und hörst du nicht der Gläser Klang,

so schmeckt dir doch der Wein.

Hörst du auch nicht der Sänger Sang,

kannst du doch fröhlich sein.

Refr.:

Sei dankbar, froh und innerlich!

Leb heiter mit Bedacht!

Am Ende siehst du’s sicherlich:

Gott hat’s doch recht gemacht.

 

Vor einiger Zeit wurde ich auf das „Vereinslied“ aufmerksam gemacht, das in der Festschrift der Jubiläumsfeier zum achtzigjährigen Bestehen des Ortsvereins Essen des Deutschen Schwerhörigenbundes am 28. Februar 1998 abgedruckt war. Der Text stammt von Trude Knaben, der Schwester von Else Knaben, der Vorsitzenden des Ortsvereins Essen ab 1959. Die Mutter der Schwestern war schwerhörig, während die Töchter normalhörend waren. Trude Knaben hatte zwei Fachgeschäfte für Hörgeräte-Akustik.

Wann das Vereinslied entstanden ist, lässt sich nicht genau feststellen, die Festschrift erwähnt eine Aufführung durch einen Frauenchor anlässlich der Bundestagung des Deutschen Schwerhörigenbundes in Essen im Jahre 1977. Danach geriet das Vereinslied immer mehr in Vergessenheit.

In unserer Gruppe entstand der Wunsch, zum hundertjährigen Jubiläum das Vereinslied mit Gebärden einzustudieren und beim Fest aufzuführen. Allerdings ist die Quellenlage sehr schwierig. Die ursprüngliche Textvorlage ist nicht mehr vorhanden. Es gibt nur den Abdruck in der Festschrift von 1998, den auch der ehemalige Schwerhörigen- und Gehörlosenseelsorger Pastor Paul für unvollständig hält.

Der Text des Vereinsliedes sprach mich unmittelbar an. Er ist heiter und versöhnlich und enthält eine Reihe von sprachlich liebevoll ausgestalteten Bildern, die sich sehr gut in Gebärden umsetzen lassen. Es ging nun darum, offensichtliche Fehler im Abdruck stillschweigend zu korrigieren, den Text in Strophen zu gliedern, von denen eine um zwei fehlende Zeilen behutsam ergänzt wurde.

Es war nicht zu ermitteln, auf welche Melodie das Vereinslied gesungen wurde. Es hieß, es sei ein englisches Volkslied gewesen. Folgt man diesem Hinweis, kann es sich bei diesem Lied nur um „Auld Lang Syne“ gehandelt haben, das als Abschiedslied der St. Georg Pfadfinderschaft unter dem Titel „Nehmt Abschied, Brüder“ weit verbreitet war und auf dessen Melodie sich das Vereinslied sehr gut singen lässt. In unserer Aufführungsversion verwenden wir die fünfte Strophe, die sich von den anderen Strophen auch sprachlich unterscheidet, als Refrain, der nach der zweiten und der vierten Strophe gesungen wird.

Das Vereinslied, das Trude Knaben wahrscheinlich Ende der fünfziger oder in den frühen sechziger Jahren schrieb, entstand in einer Zeit, in der Gebärden nicht geduldet, aber Lieder gesungen wurden. Während meiner Tätigkeit am Berufskolleg für Hörgeschädigte in Essen stieß das Singen von Liedern häufig auf Ablehnung und Misstrauen bei hörbehinderten Menschen. Es ist eine Ehre für die Gebärdensänger von TonZeichen, dieses einzigartige Dokument der Hörgeschädigtenkultur im Essen der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts der Vergessenheit entrissen zu haben und alle einzuladen, zum Mitsingen und Mitgebärden.
Ludger Schäfer

Für wertvolle Hinweise und Informationsbeschaffung danke ich sehr herzlich Bärbel und Jupp Schneppe, Christiane Terveen, Ulrike Schmidt, Roswitha Langnert, Ingelore Stephan und Pastor Horst Paul.